projekte-ags-lia-klasse-7b

GESCHICHTSWERKSTATT

Seit 2001beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler der höheren Klassen in unserer Geschichtswerkstatt mit den vergessenen Schicksalen der Menschen, die im Dritten Reich die Zwangsschule für jüdische Kinder an der Lessingschule besuchten.

Aus der Vergangenheit lernen

Von 1936 bis 1940 existierte in Freiburg die Zwangsschule für jüdische Kinder. Zwei Jahre lang waren über 60 Schülerinnen und Schüler in zwei Räumen der heutigen Lessingschule untergebracht. Die Schülerinnen und Schüler unserer Geschichtswerkstatt setzen sich aktiv mit den Schicksalen der damals betroffenen Menschen auseinander, zum Beispiel durch schriftlichen und persönlichen Austausch mit ehemaligen jüdischen Schülerinnen und Schülern. Diese Kontakte mit Überlebenden, die kontinuierlich gepflegt werden, legen den Grundstein für eine wichtige Erinnerungskultur an unserer Schule. Seit 2004 erinnert eine Gedenktafel am Schulgebäude an die Zwangsschule. Unter dem Motto „MultiKulti – sei neugierig“ widmet sich die Geschichtswerkstatt seit 2011 auch der Erinnerungsarbeit in der heutigen Migrationsgesellschaft.

Aus der Arbeit der Geschichtswerkstatt gingen in den vergangenen Jahren Film-, Buch-, Tanz-, Theater- und Ausstellungsprojekte sowie jährliche Dokumentationen hervor. Es wurden Schüleraustausche nach Israel und in die Ukraine realisiert. Aus der Erinnerungsarbeit mit Eltern, die in anderen Ländern geboren sind, entstand auch die zeitgenössische Ausstellung: „Unserer Vielfalt Ausdruck verleihen“. Für ihr Engagement hat die Geschichtswerkstatt mehrere Preise erhalten.

Kontakt
Herr Oschwald
m.oschwald@lessing-realschule-freiburg.de

x

Du willst mehr erfahren? Dann scroll einfach hier weiter …

Geschichts-werkstatt

h

Die vergessenen jüdischen Kinder der Lessingschule

Wütend, traurig, verzweifelt, einsam, hilflos, ängstlich, müde, ausgegrenzt, hoffnungslos, wehrlos, beschämt, Zweifel … Über 60 Jahre war die Zwangsschule für jüdische Kinder an der Lessingschule vergessen. Die Geschichtswerkstatt der Lessing Realschule bringt kontinuierlich Licht in ein dunkles Kapitel der Vergangenheit ihrer Schule.

Ein Text von Melissa Maggiore, Universität Freiburg, Rosita Dienst-Demuth und Jessica Mack, Lessing Realschule unter Betreuung von Dr. Julia Wolrab, NS-Doku-Zentrum Freiburg.

Wie alles anfing

Durch Else Geismar-Pripis, eine KZ-Theresienstadt-Überlebende, kam das Verdrängte ans Licht. Heute ist Else Pripis 96 Jahre alt und lebt alleine in ihrer Wohnung in Jerusalem. Seit 1980 besucht sie ihre Heimat in Emmendingen immer wieder. Im Jahr 2001 erzählt sie im Blauen Haus in Breisach, wo sie als Kind immer ihre Großmutter besucht hatte, dass sie in Emmendingen die Schule nicht mehr besuchen durfte, sondern in die Lessingschule gehen musste. Sofort beginnt eine engagierte Geschichtslehrerin mit interessierten Schülerinnen und Schülern der Lessing Realschule in der eigens gegründeten Geschichtswerkstatt die Suche nach Namen der jüdischen Kinder und ihrer jüdischen Lehrerinnen und Lehrer, um ihre Schicksale zu erfahren und zu dokumentieren.

Einweihung der ersten Gedenktafel mit Überlebenden aus sechs Exil-Ländern

Im Jahr 2004 besuchten uns 18 Überlebende aus sechs Ländern zur Einweihung der ersten Gedenktafel:

Zum Gedenken und zur Mahnung
Zwangsschule für jüdische Kinder

Hier wurden etwa 70 jüdische Kinder von 1936 bis 1940 aus Freiburg und der weiteren Umgebung von mindestens sieben jüdischen Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet, weil sie aufgrund rassistischer Gesetze die allgemeinen Schulen nicht mehr besuchen durften. Diese Schülerinnen und Schüler, ihre Familien sowie Lehrerinnen und Lehrer traf die nationalsozialistische Verfolgungs- und Vernichtungspolitik. Dank mutiger Menschen aus dem Widerstand konnten viele dieser Kinder überleben, nicht jedoch ihre Angehörigen. Die Retter sind uns ein Beispiel für Toleranz und Zivilcourage. Mit den Geretteten trauern wir um die Ermordeten.

Zeitzeugen und ihre Schicksale

92 Prozent der jüdischen Kinder und Lehrer der Zwangsschule überleben. Wenige können dem Holocaust durch Emigration in die USA mit ihren Eltern entgehen. Die kleine 8-jährige Alice Dreifuss-Goldstein aus Kenzingen hat dieses Glück. Viele werden jedoch mit der ersten großen Deportation der badischen und saarpfälzischen Jüdinnen und Juden ins südfranzösische Internierungslager Gurs ihrer Heimat beraubt. Dort und in anderen Lagern leben die Kinder mit ihren Müttern, von ihren Vätern getrennt, unter sehr schlechten Bedingungen. Kinderhilfsorganisationen holen die Kinder aus den Lagern und verstecken sie zum Beispiel in Kinderheimen. Nach zwei schweren Jahren kommt der Abschied von den Eltern, denn im Jahr 1942 werden die Eltern in den Osten, meist ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert, wo sie ermordet werden. Wenn die jüdischen Kinder überleben, überleben sie meist allein – ohne ihre Eltern und Verwandten. Anders überlebt die anfangs erwähnte Else Geismar-Pripis: Ihre Eltern schicken sie zu Verwandten nach Köln, von wo aus sie dennoch in das Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt wird. Als inzwischen gelernte Näherin wird sie dort zur Zwangsarbeit verpflichtet. Dieser Umstand rettet ihr das Leben. Im Oktober 2019 teilt auch Alice Dreifuss-Goldstein ihre Geschichte mit drei Klassen unserer Schule. Sie erzählt, wie in ihrem Buch “Normale Bürger – widrige Zeiten” beschrieben, das Unglaubliche. Wie Vater und Mutter vor 1933 in Kenzingen gut integriert sind, aber nach Hitlers Machtergreifung Schritt für Schritt aus den Vereinen verstoßen werden, wie ihr Geschäft zerstört wird. Wie in der Reichspogromnacht alle liebgewonnenen Gegenstände aus dem Fenster geworfen und im Feuer die privatesten Dokumente verbrannt werden.

Erinnerungsarbeit – so aktuell wie nie

Solange die Zeitzeugen noch leben, bekommt die Geschichtswerkstatt Zwangsschule für jüdische Kinder in Freiburg immer wieder Besuch. Auch für die Kinder und Enkel der Überlebenden ist unsere Erinnerungsarbeit sehr wichtig. Heute nimmt der Antisemitismus beängstigend zu. Das ist für uns alle erschütternd und macht uns sehr nachdenklich.

Hier geht’s zur Website der Geschichtswerkstatt.
Beachte auch unsere Hörstation und unsere Lessing TV Videos auf Youtube.