
INFORMATIV – „HUMORVOLL“ – PERSÖNLICH – unglaublich stimmig für heute !
Zwei Jugendliche geben Einblicke in den Alltag der jüdischen Zwangsschule an der Lessingschule in der Nazizeit.
Ein fast vergessener Brief der Tochter Rachel Mendel aus England bereicherte die Stolpersteinverlegung für die Familie einer ehemaligen jüdischen Lehrerin.
11. Juni 2024, Poststraße 5, Freiburg
ALLER SINN DES LEBENS IST BEGEGNUNG!
Zwei Jugendliche lesen zur Stolpersteinverlegung zur Familie der jüdischen Lehrerin Dr. Alice Mendel-Weil, Lessingschule 1938
Liebe Frau Marlis Meckel und liebe Anwesende!
Wir heißen Amalia und Finian und besuchen die Klasse 7a der Lessing-Realschule Freiburg.
AMALIA LIEST:
In unserem Schulgebäude war die jüdische Schul-Abteilung ab 1936 zwei Jahre lang untergebracht. Mit dem Lehrer Alfred Kaufmann zusammen unterrichtete Frau Dr. Alice Mendel-Weil viele jüdische Kinder aus 15 Gemeinden Südbadens in zwei Klassenzimmern. Diese jüdischen Kinder durften die allgemeinen Schulen aus rassistischen Gründen nicht mehr besuchen.
FINIAN LIEST:
Die Tochter Rachel Mendel-Weil schrieb der Geschichtswerkstatt im Jahr 2004 aus England einen Brief. Darin beschrieb sie unter anderem einige Details aus dem Schul-Alltag der Zwangsschule. Es sind die einzigen Beschreibungen, die wir haben. Deshalb lesen wir gerne einige Passagen vor:
AMALIA LIEST: Zitat aus dem Brief der Tochter Rachel Mendel-Weil:
„ … hier und da sprach meine Mutter über diese Zeit als Lehrerin in der jüdischen Schul-Abteilung und einiges ist mir wieder gekommen. …
Ich weiß zum Beispiel, dass es keine Zentralheizung gab, sondern einen Ofen, welchen die Schüler abwechselnd mit Brennmaterial bedienen mussten.
FINIAN LIEST: Es gab auch ein Problem mit Mäusen. Einmal erschien eine Maus denselben Schülern sogar während des Unterrichts. Meine Mutter lies die Schüler einen Aufsatz schreiben „Die Maus im Klassenzimmer“. Ein Schüler schrieb: „Unsere Lehrerin wurde ganz weiß im Gesicht. Ich weiß nicht, ob von unserem Geschrei, welches wir machten, oder aus Angst vor der Maus.“ daraufhin wurden Fallen aufgestellt, und zwei tapfere Schüler gingen jeden Morgen ins Zimmer, um die Fallen zu leeren, bevor die Klasse und vor allem meine Mutter eintraten.
AMALIA LIEST: Sie erzählte auch, der Direktor der Lessingschule (Herr Späth) sei ein anständiger Mensch, (also kein Nazi) gewesen.
Als meine Mutter eingestellt wurde, um die neu gegründete jüdische Schulabteilung zu unterrichten, bat er sie, doch mit den anderen Lehrern ins allgemeine Lehrerzimmer zu kommen. „ Sie gehören zu uns!“
Doch meine Mutter machte keinen Gebrauch von der Einladung und blieb immer im Klassenzimmer. Wahrscheinlich war sie sich nicht der Einstellung der anderen Lehrer sicher. (Oder sie wollte auch die jüdischen Kinder nicht alleine lassen.
FINIAN LIEST:
Eine der Staatsverordnungen war, dass jüdische und arische Kinder nicht im Hof zusammenspielen durften und so wurde zweimal am Morgen für die große Pause geläutet. Erst gingen die jüdischen Schüler für 10 Minuten in den Hof, und, als sie wieder sicher im Klassenzimmer waren, der Rest der Schulbevölkerung.
Einmal gingen zwei Kinder in der Straße am Hof vorbei, und einer sagte zum anderen: „Schau, das sind jüdische Kinder“. „Sei nicht blöd“, sagte der andere. „Das ist unmöglich, die sehen ja genauso aus wie wir“.
AMALIA LIEST:
Einmal fragte ich meine Mutter, ob die Kinder unter diesen Umständen glücklich gewesen wären. (Immerhin mussten verschiedene Jahrgänge zusammen unterrichtet werden).
„Ja“, sagte sie, „sie waren sehr glücklich, denn sie waren endlich vom Antisemitismus ihrer Lehrer und ihrer Schüler sicher“.
GEMEINSAM LESEN: Liebe Anwesende!
mit Entsetzen müssen wir heute feststellen, dass jüdische Schüler und Schülerinnen auf ihrem Schulweg und in allgemeinen Schulen wieder judenfeindlichen Übergriffen ausgeliefert sind.
Wir finden das schrecklich und verurteilen auch Hass und Hetze in den sozialen Medien.
Das Motto der Geschichtswerkstatt ist deshalb
ALLER SINN DES LEBENS IST BEGEGNUNG!! —
WIR DANKEN IHNEN FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT!
Schüler-Rückmeldung: Mir hat es super gefallen und es war auch sehr spannend.